Kanzleien müssen Geschäftsmodell anpassen: abrechenbare Stunden sinken

0

Die Ergebnisse einer aktuellen Umfrage von stp.one, einem führenden Anbieter von Legal-Tech-Komplettlösungen, zeigen, dass fast die Hälfte der europäischen Anwaltskanzleien einen Rückgang ihrer abrechenbaren Stunden verzeichnen und dies als kritische Herausforderung betrachten. Besonders bei kleinen Kanzleien ist der Anteil mit 60 Prozent noch höher. Für diese Umfrage wurden Ende 2023 insgesamt 1.250 Anwaltskanzleien in Deutschland, Österreich, der Schweiz, Benelux, Italien, Frankreich und Spanien befragt.

Flexibilität und Kosten sind Herausforderungen für Kanzleien

Die Ergebnisse des Reports verdeutlichen, dass Anwaltskanzleien vor großen Herausforderungen stehen. Einerseits wünscht sich die junge Generation juristischer Fachkräfte ein weniger formelles und flexibleres Arbeitsumfeld. Andererseits kämpfen die Kanzleien mit zunehmendem Wettbewerbsdruck, veränderten Anforderungen der Mandanten und steigenden Kosten. Der Legal Tech Report identifiziert Betriebskosten, Investitionen in digitale Prozesse, Compliance-Bemühungen und die Mitarbeitergewinnung als Hauptkostentreiber, die zu einem Rückgang der abrechenbaren Stunden führen können.

  • Die Inflation führt dazu, dass die Betriebskosten ansteigen, darunter Strom, Büromaterial und Gehälter
  • Durch Investitionen in digitale Prozesse können Unternehmen ihre Produktivität steigern, müssen jedoch zunächst Kosten tragen
  • Durch die zunehmende Komplexität und den Umfang der EU-Regulierungen steigen die Kosten für die Erfüllung von Compliance-Vorgaben
  • Neben der Lohninflation ist es notwendig, Gehälter und Boni zu erhöhen, um qualifizierte Mitarbeiter zu gewinnen und zu binden

Die Ergebnisse der Umfrage zeigen, dass kleine und mittelgroße Kanzleien größere Sorgen hinsichtlich der Inflation und steigender Kosten haben als größere Kanzleien. Dies könnte darauf hindeuten, dass größere Kanzleien aufgrund ihrer finanziellen Möglichkeiten besser in der Lage sind, höhere Kosten auszugleichen. Sie können auch schneller auf Kosten reagieren, beispielsweise durch die Kürzung von Boni oder anderen Vergünstigungen.

Das Ergebnis der Umfrage zeigt, dass italienische Anwaltskanzleien die Inflation und steigende Kosten als besonders kritisch betrachten. Im Vergleich dazu sind Kanzleien in Frankreich, Spanien und Benelux weniger besorgt. Dies könnte auf die höhere Inflation in Italien im Jahr 2023 zurückzuführen sein, aber es könnten auch andere strukturelle Faktoren eine Rolle spielen.

Das traditionelle Geschäftsmodell von Anwaltskanzleien basiert darauf, die Anzahl der abrechenbaren Stunden zu maximieren. Dieser Ansatz birgt jedoch verschiedene Herausforderungen. Immer mehr Mandanten wünschen sich eine größere Transparenz und Vorhersehbarkeit ihrer Anwaltskosten, beispielsweise durch Festpreise oder eine Deckelung der Gebühren. Einige Mandanten fordern sogar Pauschaltarife, um nicht für jede einzelne Kommunikationseinheit bezahlen zu müssen. Langfristig wird dies die Einnahmen der Kanzleien nicht verringern, aber kurzfristig können die Umsätze zurückgehen, bis neue Abrechnungsmodelle das traditionelle Stundenmodell ersetzen.

Um die Dienstleistungen vorhersehbarer zu gestalten, könnten Kanzleien ihren Mandanten regelmäßige Updates zu neuen Vorschriften und rechtlichen Entwicklungen zur Verfügung stellen.

Im Zuge des Rückgangs der abrechenbaren Stunden setzen Unternehmen vermehrt auf alternative juristische Dienstleister (ALSPs) und interne Rechtsberatung, um kostengünstigere Zusatzservices anzubieten. Diese Trends stellen eine Herausforderung für das traditionelle Geschäftsmodell von Anwaltskanzleien dar. Laut einer Umfrage betrachten 46 Prozent der Teilnehmer den Rückgang der abrechenbaren Stunden als kritische Herausforderung. Besonders kleinere Kanzleien mit 60 Prozent sind von dieser Herausforderung stark betroffen, während nur 32 Prozent der Großkanzleien dies als besonders relevant erachten.

Durch den steigenden Bedarf juristischer Fachkräfte nach flexibler Arbeit „jederzeit und überall“ bleiben in Anwaltskanzleien zahlreiche Büroflächen ungenutzt. Besonders kleine Kanzleien sind besorgt über die hohen Kosten für leerstehende Büros, da die Büromiete einen großen Teil der Betriebskosten ausmacht. Im Vergleich zu anderen Ländern zeigen deutsche Kanzleien eine größere Besorgnis über nicht ausgelastete Büroflächen (42 Prozent gegenüber 20-30 Prozent).

Lassen Sie eine Antwort hier